Kapitel
4
Das Fallbeispiel im westlichen Ruhrgebiet: Duisburg
In
diesem Teil der Arbeit wird das erste Fallbeispiel, die Stadt Duisburg, mit der
im Jahr 1987 konzipierte sSTEP, Duisburg 2000, untersucht. Die Stadt Duisburg
liegt im westlichen Ruhrgebiet an der Mündung der Ruhr in den Rhein . Es wird
die Entwicklung bis zur aktuellen Neufassung impuls.duisburg, die im Jahr 2001
formuliert wurde, aufgezeigt.
Daran anschließend werden die Ergebnisse der Experteninterviews zur sSTEP in Duisburg,
die sich auf alle Entwürfe in Duisburg beziehen, vorgestellt. Die Grundlage der
Dokumentationsanalyse bilden alle Geschäftsberichte der Stadt Duisburg sowie alle
diejenigen Veröffentlichungen, die im Zusammenhang mit dem Programm Duisburg 2000
von der Stadt Duisburg selbst publiziert wurden. Weiterhin sind zahlreiche Zeitungsartikel
in die Analyse eingeflossen, wobei die Analyse nicht nach definierten Kriterien
und chronologisch erfolgt, sondern als begleitendes "Tool" zu betrachten ist.
Es wurde also keine umfangreiche und systematische Zeitungsanalyse durchgeführt.
Ebenso wurden die Fortschreibungen von Duisburg 2000 aus dem Jahre 1999 - "Zukunft
Duisburg" - sowie die aktuelle Weiterentwicklung zu impuls.duisburg bzw. www.duisburg
aus dem Jahr 2001 in die Analyse einbezogen.
Insgesamt wurden also alle bisher erschienenen 11 Geschäftsberichte der Stadt
Duisburg von 1991 bis 2001 und alle Publikationen des Programms Duisburg 2000
einschließlich Fortschreibungen berücksichtigt, so dass eine lückenlose Bestandsaufnahme
der Literatur gewährleistet ist.
Nachdem zuerst die Situation Mitte/Ende 1987 in Duisburg beschreibend
rekonstruiert wurde, sind anhand der einzelnen Stufen des Modells der sSTEP Duisburg
2000 und die Fortschreibungen analysiert worden.
Als Ergebnis kann festgehalten werden, dass die Entstehung und Umsetzung in Duisburg
inhaltlich und organisatorisch relativ weit vom Modell der sSTEP entfernt ist.
Allerdings muss betont werden, dass das verwendete Modell erst nach der Konzeptionierung
von Duisburg 2000 Einzug in die Stadtentwicklung in Deutschland gehalten hat.
Aber auch das im Jahr 2001 entwickelte impuls.duisburg-Konzept erfüllt aufgrund
der dargelegten Entstehungsbedingungen nur unzureichend die Bedingungen einer
sSTEP. Insofern können die bis ins Jahr 1987 zurück reichenden Ansätze einer sSTEP
als sehr innovativ und weitsichtig bewertet werden. Auch und besonders die dargestellte
Gründung der GFW Duisburg war ein viel versprechender Anfang, weil erstmals öffentliche
und private Hand eng zusammenarbeiteten. Auf dieser Grundlage hätte eine sSTEP
aufsetzen können, was aber nicht geschah.
Nach 25 Experteninterviews wurden vier zentrale Deutungsmuster herauskristallisiert,
wobei sich gedanklich am Modell der STEP und den verwendeten Erklärungsansätzen
der Arbeit orientiert wurde. Als Entstehungshintergründe von Duisburg 2000 wurden
vor allem ZIM, der Rheinhausen-Konflikt und die enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit
besonders zweier Akteure benannt. Der Problemdruck in den Jahren 1987/88 war in
Duisburg sehr hoch, und deshalb wird Duisburg 2000 zu Recht als "Sofortprogramm"
bezeichnet. Es mangelte und mangelt zwischen den zentralen Akteuren an hinreichender
Kommunikation und Koordination, um überhaupt einen Prozess der sSTEP beginnen
zu können. Die befragten Akteure handeln heute - im Gegensatz zur Situation Ende
der 80er bzw. Anfang der 90er Jahre - in Duisburg untereinander wenig abgestimmt.
Man kann von einer starken Fragmentierung der handelnden Akteure sprechen, die
auch von den meisten der Akteure so wahrgenommen und bewertet wird - ohne dass
sich die Akteure selbst als Teil dieses Akteursnetzwerkes verstehen. Alle in Duisburg
entwickelten Ansätze einer sSTEP werden als Fachprogramme angesprochen und wurden
kaum in die Öffentlichkeit kommuniziert. Die Ziele bleiben unbekannt, so dass
in der Öffentlichkeit der Stadt nur über die Einzelprojekte - meistens Großprojekte
- diskutiert wird.
Die sSTEP Duisburg 2000 mit den Fortschreibungen Zukunft Duisburg und impuls.duisburg
kann durch mehrere Kennzeichen beschrieben werden: Auslöser von Duisburg 2000
war ZIM. Aufgrund des Rheinhausen-Konfliktes wurden alle zentralen Akteure zum
Handeln gezwungen. Da das Land bereits Überlegungen zu einer Regionalisierten
Strukturpolitik angestellt und mit ZIM einen regionalen Versuch gestartet hatte,
wurde dieses Konzept beschleunigt und ausgebaut, um Handlungsbereitschaft und
-möglichkeit zu zeigen. Deshalb hat sich nur eine sehr rudimentäre sSTEP in Duisburg
entwickelt. Sie ist eindeutig nicht als Ansatz einer sSTEP institutionalisiert
worden. Daran hat sich bis 2002 nichts geändert.
In Duisburg hat in den letzten Jahren kein aktiver endogener Prozess stattgefunden.
Eine geplante und koordiniert ablaufende sSTEP hat faktisch nicht stattgefunden.
Durch die Fragmentierungen der sSTEP zeigt sich die Parallelität fordistischer
und postfordistischer Regulationsweisen: Dezentralisierung, individuelles Handeln
auf lokaler Ebene, Staat und Stadt als Unternehmer und Regionalisierte Strukturpolitik
stellen hier wichtige Stichworte der Postmoderne dar, während Zentralisierung,
kollektives Handeln, Staat und Stadt als Versorger und nationale Regionalpolitik
für den Fordismus stehen. Vergegenwärtigt man sich einmal das skizzierte Handlungsmodell,
so kann festgehalten werden, dass, im Wettbewerb der Gesellschaften in Duisburg
überwiegend Einzelinteressen die Handlungen der Akteure prägen. Besonders bei
der Konzeption von Duisburg 2000 ist ein Handlungsmodell zu erkennen, dass auf
fordistische Produktionsweisen und Branchen ausgerichtet ist, weil es keine deutliche
Abkehr von der Groß- und Montanindustrie gegeben hat. Handlungen sind zum Teil
noch den alten Strukturen verhaftet. Deshalb konnten sich nur temporär neuartige
und innovative Institutionen durchsetzen. Insgesamt ist besonders zu Beginn der
Entwicklung von Duisburg 2000 Ende der 80er Jahre bzw. Anfang der 90er Jahre durch
die zahlreich genannten Faktoren die sSTEP ein wesentliches Stück mit Innovationen
und neuartigen Konzepten vorangetrieben, aber anschließend nicht systematisch
und durch zentrale Akteure weiterentwickelt worden.